Ein rechtsfreier Raum?

Im Netz und insbesondere in sozialen Netzwerken werden fleißig Informationen, Bilder, Songs oder Texte geliked, heruntergeladen, mit anderen geteilt und vervielfältigt. Was ist hier eigentlich erlaubt und was nicht?
Nutzung digitaler Inhalte

Ein rechtsfreier Raum?

Thema
Nutzung digitaler Inhalte
Kompetenz
Normativ-ethische Einstellung
Zeitaufwand
6 Minuten

Prolog

In sozialen Netzwerken finden die Nutzer eine große Vielfalt an unterschiedlichsten Inhalten, die sich direkt weiterverbreiten oder auch kopieren und herunterladen lassen. Doch darf man diese Inhalte einfach weiterverwenden?

Ein origineller Text, ein eingängiger Song

Michael vertreibt sich die Zeit gern in sozialen Netzwerken und verbreitet auch selbst interessante oder unterhaltsame Inhalte weiter.
So auch einen besonders lustigen Tweet, den er auf Twitter gesehen hat. Ein witziger Spruch mit dem Link zu einem passenden Song dazu hat ihm so gut gefallen, dass er beides nicht nur im Netzwerk teilt, sondern auch direkt in seinen eigenen Blog kopiert. Eine Quelle gibt er nicht an. Der Song hat es ihm besonders angetan, so dass er ihn als Untermalung für sein neues Video auf dem Blog verwendet.

Mit fremden Federn geschmückt

Wie gehofft, erhält Michael auf seinen Blogbeitrag und auch auf das Video jede Menge positive Reaktionen. Allerdings nur bis zu dem Tag, an dem ihm ein Kommentator – zu Recht – vorwirft, den Text von einem Twitter-User geklaut zu haben.

Der Kommentator hatte den Spruch wiedererkannt und sogar den ursprünglichen Tweet des anderen Nutzers gefunden.
Zwischen Michael, dem Kommentator und anderen Kommentatoren entspinnt sich nun eine lange Auseinandersetzung darüber, ob Michael gegen das Urheberrecht verstoßen hat oder nicht. Und auch die Musik gerät ins Visier des Diskutierenden.

Verstoß gegen das Urheberrecht?

Ganz zweifellos hat Michael sich unfair verhalten. Denn man schmückt sich nicht mit fremden Federn, zumal es kein Aufwand gewesen wäre, die Quelle korrekt anzugeben. Doch hat er auch gegen Gesetze verstoßen und das Urheberrecht des Autors verletzt, der den Tweet verfasst hat? Und was ist mit dem Song, den Michael für sein eigenes Video verwendet hat? Darf er das? – Diese Fragen sind schon etwas komplizierter zu beantworten.

Nicht jeder Tweet ist geschützt

Bei Tweets – also Kurznachrichten, die mit Twitter versendet werden – besteht nicht grundsätzlich ein Schutz des Textes durch das Urheberrecht. Der Text muss erst eine gewisse Schöpfungshöhe erreichen, um unter das Urheberrecht zu fallen. Bei den meisten Tweets ist dies nach gängiger Rechtsprechung nicht der Fall. Und auch der von Michael geklaute Tweet erfüllt dieses Kriterium nicht. Insofern hat Michael hier nicht gegen Gesetze verstoßen, nur gegen die Regeln des guten Stils.

Aber Songs sind geschützt – und das oft gleich mehrfach

Anders sieht das bei dem Song aus, den Michael weiterverwendet hat. Denn Songs sind meist mehrfach geschützt: Der Komponist ist der Urheber der Musik, die durch das Urheberrecht geschützt ist. Das gilt auch für den Liedtext, der von einem Songtexter, verfasst wurde.

Aber Songs sind geschützt – und das oft gleich mehrfach

Darüber hinaus kommt noch das Leistungsschutzrecht ins Spiel, das die Leistungen der Interpreten, also der Musiker und Sänger, sowie der Musikproduzenten schützt. Will Michael den Song verwenden, braucht er von all diesen Beteiligten die Genehmigung dazu. Hier kommt zum Beispiel die allseits bekannte GEMA ins Spiel.

Da Michael keine Genehmigung eingeholt und auch keine Nutzungsrechte erworben hat, hat er den Song widerrechtlich genutzt und gegen das Urheberrecht und das Leistungsschutzrecht verstoßen.

Rechte anderer beachten

Nach der Auseinandersetzung in seinen Blogkommentaren und ein paar vertiefenden Recherchen zum Thema ist Michael jetzt ein gutes Stück schlauer und einsichtiger. Ihm ist klar geworden, dass er sich falsch verhalten hat und dabei Glück hatte, dass das keine juristischen Folgen, wie zum Beispiel eine Abmahnung, nach sich gezogen hat.
Michael entfernt das Video mit dem fremden Song von seinem Blog, versieht den Tweet mit einer korrekten Quellenangabe und entschuldigt sich bei seinen Lesern für den Tweet-Klau.

Was können Sie selbst tun?

  • Zitieren Sie korrekt, wenn Sie Texte aus fremden Quellen nutzen möchten.
  • Veröffentlichen Sie nur Musik, deren Urheber Sie selbst sind oder für die Sie Nutzungsrechte besitzen.
  • Fragen Sie im Zweifelsfall immer beim Urheber nach, ob und wie Sie die Inhalte verwenden dürfen.
  • Beachten Sie: Auch für lizenzfreie Musik, also Musik, die kostenlos genutzt werden darf, gelten bestimmte Nutzungsbedingungen.
  • Nutzen Sie Datenbanken, die für ein geringes Entgelt Bilder, Sounds und Grafiken anbieten, die genutzt werden können. Beachten Sie dabei stets die jeweiligen Nutzungsbedingungen.

Kapitel:

Glossar

Social Media/soziale Medien
Soziale Medien sind die Dorfplätze oder Gemeindezentren des Internets, sozusagen digitale Begegnungsstätten. Sie geben Nutzern die (technische) Möglichkeit, miteinander zu kommunizieren und digitale Inhalte gemeinsam oder einzeln zu erstellen, zu publizieren und untereinander auszutauschen. Solche digitalen Treffpunkte sind zum Beispiel Foren, Weblogs oder soziale Netzwerke.
Urheberrecht
Das Urheberrecht ist der Schutzpatron der Kreativschaffenden. Wer Kreatives leistet und damit ein Werk schafft – zum Beispiel einen Text, ein Foto, einen Song etc. –, ist dessen Urheber. Das Urheberrecht stellt sicher, dass nur der Urheber darüber entscheiden darf, was mit seinem Werk passiert und wofür es genutzt wird. Will jemand anderes das Werk zu seinem eigenen Vorteil oder zum Geldverdienen verwenden, muss er dafür vom Urheber die Erlaubnis einholen und die Nutzungsrechte erwerben. Tut er dies nicht, bekommt er es mit dem Schutzpatron zu tun.
Streaming
Beim Streaming werden digitale Video- oder Audiodateien in einem fließenden Datenstrom an ein Endgerät übertragen. Dabei wird (anders als beim Download) auf dem Endgerät keine Kopie des Mediums angelegt. Die Video- oder Audiodatei wird bereits während der Datenübertragung angeschaut oder angehört und die Daten werden anschließend direkt verworfen. Der Datenstrom fließt also einfach fort …